Mit der Bibel in der Hand auf die WM geschaut

Bei Predigten von Kerstin Grünert und Steffen Post in Erndtebrück und Erndtebrück waren am vierten Advent Fußball und Menschlichkeit Themen

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist erst wenige Tage vorbei, aber sie scheint schon fast vergessen. Ob es mit dem erneuten schlechten Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft zu tun hat? Oder damit, dass solche sportlichen Großereignisse in den Zeiten eines potentiellen Sommerlochs zumindest auf der Nordhalbkugel mit Urlaub und guten Wetter einfach leichter mehr Aufmerksamkeit bekommen? Oder weil der Stern von Bethlehem naturgemäß im Dezember auch nach 2000 Jahren noch heller strahlt als der WM-Pokal? Wer weiß das schon?

In der Laaspher Stadtkirche und in der evangelischen Erndtebrücker Kirche hatten Pfarrer Steffen Post und Pfarrerin Kerstin Grünert die Fußball-WM am vierten Advent und damit am Final-Tag auf den Spielplan ihrer Gottesdienste gesetzt. Hier gingen sie auf Menschen ein, die in dem märchenhaft wohlhabenden Emirat Katar und zum Wohle des mutmaßlich gemeinnützigen, in jedem Fall steinreichen Weltfußball-Verbands Fifa schlecht, manchmal auch gar nicht bezahlt Stadien und Infrastruktur für die Weltmeisterschaft bauen mussten. Und dabei starben. Als anschauliche Beispiele der Dokumentation wurde die biografische Fotoausstellung von Mohamed Badarne zum „Forgotten Team“, also zu der „Vergessenen Mannschaft“, und die „Cards of Qatar“ der schwedischen Zeitung „Blankspot“ genannt.

Das bot reichlich Raum für Empörung, doch die Beiden auf den Kanzeln wollten mehr. Sie schauten bewusst aus dem Advent, so Steffen Post, auf „Begleitumstände, die mit Blick auf so manches sportliche Großereignis in den letzten Jahren nicht neu sind. Ich habe aber den Eindruck, dass sie bei dieser Fußball-WM in Katar noch einmal wie in einem Brennglas auftreten und deshalb für so viele Kontroversen sorgen. Ich möchte daneben mal eine Geschichte aus der Bibel legen, die von Johannes dem Täufer handelt - einer der adventlichen Personen als Vorbereiter für den kommenden Jesus.“ Der Laaspher Pfarrer ging darauf ein, wie Johannes der Täufer zum Spielball verschiedener Interessen wurde und wie Jesus laut des biblischen Zeugnisses im Matthäus-Evangelium auf Johannes Tod reagierte: „Für mich ist das Signal und Hinweis für die Solidarität von Jesus mit den geschundenen und ausgebeuteten Menschen, für die er sich ja auch schon zu Lebzeiten mit ganzer Kraft eingesetzt und ihnen so immer wieder Zuspruch und neue Lebensperspektive geschenkt hat.“

In Erndtebrück verstand Kerstin Grünert den Philipper-Brief „Der Herr ist nahe! Macht euch keine Sorgen. Im Gegenteil: wendet euch in jeder Lage an Gott. Tragt ihm eure Anliegen vor in Gebeten und Fürbitten und voller Dankbarkeit.“ folgendermaßen: „Das Kommen Gottes steht unmittelbar bevor. Paulus wollte die Gemeinde nochmal einschwören. So wie Spieler einen Kreis bilden und die letzten Motivationssätze verinnerlichen.“ Auch wenn es 2000 Jahre später weiterhin Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Machtmissbrauch, Korruption, menschenunwürdiges Handeln gebe, ermutigte die Erndtebrücker Pfarrerin: „Wir könnten jetzt die Hände in den Schoß legen und sagen: hat eh keinen Sinn. Als ob sich in Katar oder sonst wo irgendetwas ändert, nur weil wir uns das am vierten Advent in Erndtebrück vornehmen und dafür im Gebet eintreten wollen. Oder wir fangen trotzdem an. Setzen uns der Ungerechtigkeit aus, die Menschen in der Welt erleiden müssen. Sind dankbar für das Leben, das wir haben, und suchen nach Möglichkeiten für die Unterdrückten und Hilflosen.“

Das sollte stets und in alle Ewigkeit der christliche Anspruch sein, auch dann, wenn sich keiner mehr daran erinnert, dass Argentinien den 2022 den Fußball-WM-Pokal gewonnen hat.