Sommersynode 2021: Machbarkeitsstudie

„Ein Tendenzbeschluss heute, hier und jetzt in dieser Synode wäre überstürzt. Auch eine Vereinigung der Kirchenkreise zum 1. Januar 2022 ist letztendlich nicht machbar und würde derzeit alle überfordern. Zuvor sind noch Schritte zu gehen und Beratungen zu führen.“ So begann der Beschlussvorschlag, den Superintendentin Simone Conrad am Mittwoch-Nachmittag bei der Sommersynode des Evangelischen Kirchenkreises Wittgenstein im Berleburger Bürgerhaus den Delegierten aus den Kirchengemeinden und Arbeitsbereichen vorlegte. Nachdem im Jahr zuvor bei der Sommersynode über die Machbarkeitsstudie zur Vereinigung der beiden Nachbar-Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein gesprochen worden war und die Synode damals die 14 Kirchengemeinden sowie die Arbeitsbereiche und Gremien gebeten hatte, Stellungnahmen zum Thema abzugeben, ging es diesmal um eben jene Stellungnahmen. Das Vorgehen im Siegener Kirchenkreis war abgestimmt genau das gleiche, dort wird bei der Synode am Mittwoch über die Stellungnahmen gesprochen.

Im Bürgerhaus fasste jetzt Synodalassessor Peter Liedtke als Stellvertreter der Superintendentin die eingegangenen Rückmeldungen zusammen, außer vom Seelsorge- und Finanz-, vom gemeindepädagogischen und theologischen Ausschuss auch noch von 13 der Kirchengemeinden in Wittgenstein und Hochsauerland: „Bei der Sichtung wurde deutlich, dass die Forderung nach mehr Zeit in keinster Weise Indiz war für eine Verzögerungstaktik. Sondern die Stellungnahmen belegen, wie intensiv die Vorlage wahrgenommen wurde und wie intensiv die verschiedenen Aspekte diskutiert wurden.“ Als wiederkehrende Punkte nannte Peter Liedtke das Abenteuerdorf, das Berleburger Haus der Kirche, das Wittgensteiner Kompetenzzentrum für Kinder-, Jugend- und Familienarbeit: „Warum sorgen sich unsere Gemeinden um diese Punkte? Weil sie befürchten, in dem neuen Kirchenkreis aufgrund des geringeren Einflusses in der Kreissynode nicht mehr den Bestand dieser Institutionen gewährleisten zu können.“ Auch hinter den Finanzen mit der Aussicht, dass keine Gemeinde schlechter als vorher dastehe, sah der Synodalassessor ein Fragezeichen in den Stellungahmen: „Wer zahlt die Zeche?“ Der Verlust von Vertrautheit und weitere Wege im größeren Kirchenkreis wurden als Vorbehalte formuliert, genau wie bei den Gemeindegliederzahlen pro Pfarrstelle - der Wittgensteiner Kirchenkreis bekommt aufgrund seiner ländlichen Struktur auf Zeit beständig drei zusätzliche Pfarrstellen von der Landeskirche in Bielefeld zugebilligt. Zudem übernahm Peter Liedtke noch eine Visions-Frage aus den Stellungnahmen zur Vereinigung, die Energie brauchen wird: „Welches ist das attraktive Ziel, damit sich der Kraftaufwand lohnt?“ Unsicherheiten und Befürchtungen sah Peter Liedtke, der trotzdem zuversichtlich war: „Die Gemeinden unseres Kirchenkreises stellen sich der Beschäftigung damit und die Mehrheit der Gemeinden hält eine zufriedenstellende Antwort auf die offenen Fragen für möglich, wenn nicht sogar für wahrscheinlich. So kann am Ende eine breite Basis für eine Zustimmung angenommen werden.“

In der anschließenden emotionalen Aussprache schienen immer wieder zwei Pole durch: einerseits der kleinste Kirchenkreis in Westfalen, der beständig kleiner wird, schon Pflichtausschüsse nur mit Mühe besetzen kann und dessen Pfarrer*innen immer mehr zusätzliche Aufgaben tragen müssen, andererseits die Überzeugung, dass etwas Neues stets Gefahren bergen kann. Während Stimmen aus der Synode in diesem Zwiespalt überlegten, ob man sich zuerst mit dem linken oder dem rechten Fuß auf den Weg machen sollte, legte Simone Conrad in ihrer Beschlussvorlage einen Routenplan vor:

  1. Schritt: eine gemeinsame Pfarrkonferenz beider Kirchenkreise im Abenteuerdorf, ganztägig miteinander arbeiten an einem theologischen Thema und Begegnung, Begegnung, Begegnung, vielleicht im September oder Oktober
  2. Schritt: eine Synodalversammlung im späten Herbst, um systematisch, analog und gemeinsam an offenen Punkten und Fragen zu arbeiten, eine Arbeitsversammlung, um Lösungen zu finden und die Vereinigung griffiger zu machen
  3. Schritt: in der Herbstsynode im November dieses Jahres einen Tendenzbeschluss fassen - und eine Vereinigung der Kirchenkreise zum 1. Januar 2023 in den Blick nehmen
  4. Schritt: im neu entstandenen Kirchenkreis an einem Leitbild arbeiten - an den Visionen, die uns tragen und bewegen, und dann überlegen: Welche Strukturen brauchen wir? Was können wir uns leisten? Was befähigt uns, das Evangelium lebendig zu bezeugen und zur Nachfolge einzuladen? Wie können wir Kirche sein in der Gegenwart?

Am Ende sprach sich von 44 Abstimmungs-Berechtigten bei vier Enthaltungen nur ein Delegierter gegen diesen Weg aus. Bleibt zu hoffen, dass auch die Siegener Synode kommende Woche dem Routenplan zustimmt, um sich mit dem Wittgensteiner Kirchenkreis auf den Weg zu machen.